Pilotversuch in der Stadt Bern
Energie Wasser Bern hat im Rahmen eines Pilotprojekts einen innovativen Ansatz untersucht: Das Unternehmen wollte die städtische Strassenbeleuchtung in der Blauen Zone mit öffentlich zugänglichen Ladestationen ausstatten. Die Ergebnisse des Pilotversuchs zeigen allerdings, dass dieser vielversprechende Ansatz nicht wie gewünscht umgesetzt werden kann.
Ausgangslage und Herausforderung
Wie gelingt es, dass Autobesitzerinnen und -besitzer, die mit ihren Anwohnerparkkarten in der Blauen Zone parkieren, auf Elektrofahrzeuge umsteigen? Ihnen fehlt in der Regel die Möglichkeit, ein Elektrofahrzeug am Wohnort zu laden. Das ist eine Frage, die Daniel Hutter, Product Manager bei Energie Wasser Bern, schon lange umtreibt. Er könnte dadurch viele neue Kundinnen und Kunden gewinnen.
Das Problem liegt bei einer scheinbar unlösbaren Huhn-oder-Ei-Frage: Nur wenn es genügend öffentlich zugängliche Ladepunkte gibt, ist es für Personen ohne Privatparkplatz attraktiv, ein Elektroauto zu kaufen. Handkehrum gibt es heute noch nicht genügend Fahrzeuge mit Ladebedarf, um solche Ladepunkte wirtschaftlich betreiben zu können.
Um dieses Problem zu lösen, verfolgten die Fachleute von Energie Wasser Bern einen interessanten Ansatz: Überall in der Stadt gibt es Strassenlaternen, die mit Strom versorgt werden. Da sollte es doch möglich sein, diese bestehende Infrastruktur zu nutzen, um Lademöglichkeiten für die E-Mobilität anzubieten. Von den Synergien mit der Strassenbeleuchtung erhoffte man sich niedrigere Investitionskosten und damit die Möglichkeit, in der Blauen Zone Ladepunkte betreiben zu können.
Vom Konzept zum Pilotprojekt
Das Unternehmen beschloss, diesen innovativen Ansatz zu testen: Daniel Hutter schrieb ein Konzept und reichte bei EnergieSchweiz einen Antrag um Fördermittel ein – mit Erfolg. Das Projekt wurde mit knapp 15’000 Franken unterstützt.
Im April 2021 wurden im Rahmen des Projekts «LaternenLaden» zwei Masten für Strassenbeleuchtung an der Thormannstrasse und ein Mast an der Huberstrasse mit je einem Ladepunkt ausgerüstet. Für die Umsetzung arbeitete das Energieunternehmen mit mehreren Partnern zusammen: Neben der Verkehrsplanung und dem Tiefbauamt der Stadt Bern, die das Projekt unterstützten, sorgten Siemens und ubitricity für die technische Lösung und MOVE agierte als E-Mobility Service Provider.
Technische Hürden und hohe Kosten
Trotz höherer Investitionskosten als zunächst angenommen, gelang es, die geplanten Ladepunkte umzusetzen. Die Auswertung des Pilotjahres lieferte interessante Erkenntnisse:
An den drei Standorten kam es monatlich zu durchschnittlich 65 Nutzungen und einem Energiebezug von 817 kWh pro Monat. Die mittlere Standzeit der Fahrzeuge lag bei ca. 9 Stunden. Die Ladestationen wurden zwar von relativ wenigen, aber wiederkehrenden Kunden genutzt. Beides spricht dafür, dass die Anwohnerinnen und Anwohner als Hauptzielgruppe wie geplant erreicht werden konnten.
Bei der Umsetzung zeigten sich allerdings auch verschiedene Schwierigkeiten (siehe Dropdown). Energie Wasser Bern kam nach Ablauf des Pilots zum Schluss: Die Idee des LaternenLadens ist ein interessanter Ansatz – aber regulatorisch und technisch aufwändig und wirtschaftlich nicht tragfähig. Nicht nur die Investitionskosten, auch die Betriebskosten sind zu hoch, um daraus ein funktionierendes Angebot zu machen. Die Ladestationen werden wieder rückgebaut.
Fazit
Ist der Pilot somit gescheitert? Daniel Hutter verneint. Der Sinn eines Pilotprojekts sei es, eine innovative Lösung zu testen. «Es gehört dazu, dass eine innovative Idee in der Praxis nicht immer funktioniert», ist Hutter überzeugt. Er bewertet die Erfahrung mit «LaternenLaden» darum als positiv: «Wir haben dank des Pilotprojekts viele Erfahrungen gesammelt und konnten die gewonnenen Erkenntnisse teilen. Das Projekt hat also durchaus einen Mehrwert gebracht.»
Die wichtige Frage, wie man auch für Anwohnerinnen und Anwohner in der Blauen Zone den Umstieg von einem Verbrenner- auf ein Elektrofahrzeug erleichtern kann, bleibt allerdings offen. Es sind andere Lösungsansätze gefordert. Daniel Hutter ist überzeugt, dass Ideen, die diese Frage beantworten könnten, am besten einfach ausprobiert werden sollten. Nur so können alle aus diesen Erfahrungen lernen.
Probleme bei der Umsetzung
Regulatorische Bestimmungen – Aufgrund geltender regulatorischer Bestimmungen durften die Ladepunkte nicht direkt über den Strom der öffentlichen Beleuchtung gespiesen werden, sondern mussten separat über den nächsten Verteilerkasten erschlossen werden. Zwar konnten die Rohre der öffentlichen Beleuchtung benutzt werden, aber die Idee der Stromsynergie mit den Laternen scheiterte damit bereits in den Grundzügen.
Technische Herausforderungen – Obwohl der Anschlusskasten für den Ladepunkt in der Strassenlaterne so minimalistisch wie möglich gehalten wurde, mussten Laternen mit grösserem Durchmesser installiert werden. Zudem wurde eine zweite Servicetür benötigt. Die Vorstellung, dass dank der bestehenden Infrastruktur die Investitionskosten niedrig gehalten werden können, wurde somit nicht erfüllt.
Fehlende Skalierbarkeit – Bei der Standortsuche hat sich gezeigt, dass es in der Stadt Bern trotz vieler Laternen nur wenige Standorte gibt, die sich für Ladestationen eignen: Einerseits muss die Laterne unmittelbar neben einem Parkfeld stehen, so dass kein Ladekabel über ein Trottoir gelegt werden muss. Andererseits muss aufgrund der regulatorischen Vorgaben ein Stromverteilerkasten in unmittelbarer Nähe stehen. Zudem macht der geplante Abbau von Parkfeldern in der Stadt Bern eine langfristige Investitionsplanung sehr schwierig. Eine Skalierung, also eine grossflächige Umsetzung des Projekts, ist laut ewb deshalb kaum möglich.
Quelle: EWB Stadt Bern, Daniel Hutter, Product Manager Mobilität